Papstbotschaft zum Welttag der geistlichen Berufe am 24.4.1977

Im Anschluss an Joh 21,4ff sprach der Papst darüber, wie jeder geistliche Beruf aus dem Glauben, aus der Liebe und aus dem Opfer wächst und die geistlichen Berufe deshalb in die Krise geraten sind, weil es eine Glaubenskrise, eine Krise der Liebe und eine Krise der Opferbereitschaft in unserer Zeit gibt.

Wörtlich schreibt der Papst:

1. „Es ist wahr, jede echte Berufung erwächst aus dem Glauben, lebt aus dem Glauben, bleibt kräftig durch den Glauben; durch einen Glauben, der von Tag zu Tag konkret erfahren und gelebt wird, in Aufrichtigkeit und Hochherzigkeit, in freundschaftlicher Vertrautheit mit dem Herrn. Bestimmt folgt niemand einem Fremden, niemand verschenkt sein Leben an einen Unbekannten.

Wenn es heute eine Krise der Berufungen gibt, steckt dann vielleicht nicht vor allem eine Glaubenskrise dahinter?

Welch heilige Verpflichtung ruht auf den Seelsorgern, auf den Eltern, auf den christlichen Erziehern, die Jugend von heute zu einem tiefen Glauben an Christus, zu tiefer Kenntnis Christi, zur Freundschaft mit ihm zu führen!

2. Jede Berufung ist aber auch ein Akt der Liebe, einer zweifachen Liebe, vonseiten des Herrn, der ruft und vonseiten dessen, der auf den Ruf antwortet.

Besonders groß ist das Geschenk der Liebe vonseiten Gottes, wenn es um die Berufung geht, die in besonderer Weise dem Dienst für Gott und für seine Kirche geweiht ist: die Berufung zum Priestertum, zum Diakonat, zum Ordensleben, zu den Idealen eines Säkularinstitutes.

Groß muss aber auch die Fähigkeit zu lieben bei demjenigen sein, der diesen besonderen, anspruchsvollen Ruf erhält.

Jene, die auf das Priestertum zugehen, werden eines Tages die Aufforderung des sie weihenden Bischofs hören: ‚Übt das Amt Christi des Priesters in stetiger Freude und wahrer Liebe aus!‘ (‚Munus ergo Christi Sacerdotis perenni gaudio in vera caritate explete!‘)

Jene, die sich auf die Profess der Evangelischen Räte vorbereiten, sollen verstehen, dass sie ‘aus Liebe zu Christus alles verlassen müssen’ (Perfectae caritatis Nr. 5)

Jene, die auf ein Leben in den Missionen zugehen, müssen das Maß ihres Einsatzes begreifen: ‚In aufrichtiger Liebe Zeugnis für den Herrn ablegen bis zum Einsatz des Lebens, falls es notwendig werden sollte‘ (Ad gentes Nr. 24).

Menschen, denen die Gnade der Berufung zum Priester- oder Ordensstand zuteilwird, müssen sich also zur Liebe erziehen, sie müssen lernen, den Herrn mehr zu lieben, auch seine Kirche mehr zu lieben, sie zu lieben ‚wie Christus sie geliebt hat, der sein Leben für sie dahingab‘ (vgl. Eph 5,25); die Kirche zu lieben in ihrem über alle Worte erhabenen Geheimnis, in ihrer sichtbaren Struktur, in ihrer gegenwärtigen und geschichtlichen Wirklichkeit.

Es gibt heute wohl eher eine Krise der Liebe als eine Krise der Berufungen. Darum muss den Seelsorgern, Eltern und Erziehern ans Herz gelegt werden: Helft den wertvollen und hochherzigen unter den Jugendlichen, die Liebe zu Christus und zu seiner Kirche zu entfalten!

3. Jede Berufung bedeutet aber auch Opfer: Opfer schon beim ernsthaften Suchen, das bereits einen gewissen Verzicht erfordert; Opfer im Augenblick der Entscheidung, die sich der daraus folgenden Konsequenzen bewusst ist; Opfer auf dem langen Weg der notwendigen Vorbereitung; Opfer schließlich im weiteren Verlauf des Lebens, weil doch unsere ganze Existenz nur darin besteht, jene Berufung konsequent zu verwirklichen die Gott uns geschenkt hat, die wir aber aus freiem Herzen als unseren Lebensauftrag übernommen haben.

Versteckt sich etwa hinter der Krise der Berufungen heute die Furcht vor diesen Opfern? Also Krise der Opferbereitschaft hinter der Krise der Berufungen!

Die Seelsorger, Eltern und Erzieher sollten es verstehen, die Jugendlichen und andere hochgesinnte Menschen zur freien und gelassenen Annahme dieser Opfer zu führen!

Der Papst lässt dann seine Überlegungen über den Glauben, die Liebe und die Opferbereitschaft, die es bei der geistlichen Berufung zum Priester- und Ordensstand heute ganz besonders braucht, ausklingen in einem Gebet: „Wir wollen mit den Worten der Apostel beten, dass der Herr ‚den Glauben vermehre‘ (vgl. Lk 17,5) in unseren christlichen Gemeinschaften und besonders bei denen, die er schon zu seinem Dienst gerufen hat oder noch rufen will.

Wir wollen mit den Worten des Apostels Paulus darum beten, dass ‚die Liebe Christi‘ den göttlichen Ruf in vielen wertvollen Jugendlichen und in der Seele anderer edler, selbstloser Menschen wecke, die Zögernden zu einer Entscheidung ermutige und jene, die schon ihre Lebenswahl getroffen haben, in der fortdauernden Treue zur empfangenen Berufung erhalte.

Wir wollen beten, dass alle starkmütig und opferbereit seien, um wie der sich hinopfernde Christus nicht den eigenen Willen zu tun, sondern den Willen des Vaters, wenn er will oder es zulässt, dass sich die Last des Opfers mit dem herrlichen Geschenk seines Rufes verbindet.“